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3 Fragen zur Klimaneutralität an ... David Kroll

Heute dürfen wir zum Thema Klimaneutralität Herrn David Kroll interviewen. Er ist leitender Sachverständiger und Fachleiter bei der Verifizierungsstelle GUTcert in Berlin. Verantworlich ist er hier für die Verifizierung von Treibhausgasbilanzen im europäischen Emissionshandel (EU ETS) und den freiwilligen CO2e-Fußabdrücken für Produkte oder Unternehmen nach ISO 14064.

Andree: Was ist für Sie ein klimaneutrales Unternehmen und braucht es klarere Regeln für Klimaneutralität?

Kroll: Ein klimaneutrales Unternehmen sollte nach meiner Auffassung über eine systematische und einheitliche Struktur für die Erfassung und Ermittlung der relevanten Treibhausgas verfügen. Dazu zählen neben der gesamteinheitlichen Betrachtung alle Treibhausgase, also der CO2 äquivalente, vor allem eine kritische Auseinandersetzung mit den indirekten Emissionen aus Scope 3 unter der finanziellen oder operativen Kontrolle des Unternehmens.

Erfahrungsgemäß liegen vor allem im Scope 3 der wesentliche Anteil der Treibhausgasemissionen und deshalb sollte hier ein besonderer Fokus gesetzt werden, anhand welcher Kriterien und Anforderungen der Stakeholder die entsprechenden Mengen beinhaltet oder weshalb diese ausgeschlossen werden. Eine transparente und nachvollziehbare Argumentation ist hier unabdingbar.

Für die Klimaneutralität eines Unternehmens sollten nicht nur die unvermeidbaren Emissionen durch zugelassene Kompensationsmaßnahmen ausgeglichen werden, sondern auch zusätzlich Anstrengungen und konkrete Maßnahmen vorgenommen werden, um die Emissionen zu verringern.  Dieser wichtigste Ansatz wir derzeit in den öffentlichen und fachlichen Diskussionen immer wichtiger, ein bloßer finanzieller Ausgleich wird nicht mehr als ausreichend seitens der verschiedenen Stakeholder angesehen.

Um die Betrachtung der indirekten Emissionen aus Scope 3 sowie der klaren Auslegung der Begrifflichkeit der „Klimaneutralität“ bedarf es einheitlichen Spielregeln und Festlegungen, nur so können Treibhausgasbilanzen und Emissionsreduktionen einheitlich erfasst und verglichen werden. Dazu wurde im letzten Jahr die Normenreihe der ISO 14064 für die Treibhausgasbilanzierung überarbeitet und für der englischen PAS 2060 zur Definition der Klimaneutralität wird derzeit die international ISO 14068 entwickelt.

Andree: Wie sehen Sie die bisherigen Wege zur Klimaneutralität und zu mehr Nachhaltigkeit?  

Kroll: In den letzten Monaten sehen wir sowohl politisch als auch gesellschaftlich ein steigendes Bewusstsein für eine ehrliche und erste Umweltpolitik, in deren Fokus vor allem die Reduktion der Treibhausgasemissionen steht. Dies zeigt sich vor alle im europäischen Klimapolitik durch den Green Deal oder der deutschen Umsetzung des Klimapakets, in denen sehr konkrete und nachverfolgbare Maßnahmen und Zielvorgaben definiert werden. Als eines der zentralen Elemente der Klimapolitik wird vor allem das Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) in den kommenden Jahren zur Reduktion von Treibhausgasen durch die steigende finanzielle Belastung führen.

Viele Unternehmen setzen sich bereits heute aus internen und externen Interessen schon sehr ernsthafte mit Ihren ökologischen Auswirkungen auseinander und haben eindeutige und messbare Zielvorgaben definiert, die deutlich über die rechtlichen Vorgaben hinausgehen. Durch den öffentlichen Fokus wird auch die externe Überprüfung als immer wichtig bewertet.

Andree: Welche Maßnahmen ergreifen Sie persönlich, um etwas für den Klimaschutz zu leisten?

Kroll: Wir versuchen den Klimaschutz vor allem in unserem privaten und beruflichen Alltag zu integrieren. Dazu nutzten wir vorrangig den öffentlichen Bahn- oder Nachverkehr, um möglichst wenig mit dem Auto zu fahren. Besonders froh bin ich darüber, dass jegliche berufliche Reisetätigkeiten durch die GUTcert kompensiert werden. Bei Möglichkeit greifen wir zusätzlich auf regionale und nachhaltige Produkte zurück und persönlich versuche ich vor allem etwas gegen die Festtagsbeleuchtung meiner Frau in unserer Wohnung zu unternehmen.

Vielen Dank für das Interview.

Über David Kroll 

Herr David Kroll ist leitender Sachverständiger und Fachleiter bei der Verifizierungsstelle GUTcert in Berlin und in seiner Funktion verantwortlich für die Verifizierung von Treibhausgasbilanzen im europäischen Emissionshandel (EU ETS) und den freiwilligen CO2e-Fußabdrücken für Produkte oder Unternehmen nach ISO 14064. Mit seinen Erfahrungen aus über 100 Audits in diversen Branchen von der Lebensmittelindustrie bis zur Aluminium- und Stahlherstellung hat er sich bereits mit vielen Fragestellungen und Auslegungen zum Klimamanagement auseinandergesetzt.