Der Limón Blog

Analysen, Berichte & Hintergründe zu Energieeffizienz und Klima

3 Fragen zur Klimaneutralität an ... Timon Gremmels, MdB

Im zweiten Teil der Blogreihe "3 Fragen zur Klimaneutralität" spreche ich mit Timon Gremmels. Er ist Kasseler Bundestagsabgeordneter, Energieexperte der SPD-Bundestagsfraktion und stellv. Vorsitzender der hessischen SPD.

Pötter: Klimaschutz ist ein große Herausforderungen für viele unserer Kunden – vom Mittelständler bis zum DAX-Konzern. Besteht aus Ihrer Sicht die Gefahr, dass einzelne Branche daran scheitern klimaneutral zu werden und wie kann die Politik hier noch mehr unterstützen?

Gremmels: Beim Klimaschutz ist Scheitern keine Option: Dieser Satz gilt nicht nur für unsere Gesellschaft als Ganzes, sondern in gleichem Maße auch für alle Bereiche unserer Wirtschaft. Spätestens seit der Verabschiedung des Klimaschutzgesetzes im Herbst des vergangenen Jahres ist klar: Damit wir den gesetzlich verankerten Fahrplan der kontinuierlichen CO2-Reduktion bis hin zur Klimaneutralität im Jahr 2050 erreichen können, müssen alle Sektoren ihren Beitrag leisten, die Strom- und Wärmeerzeugung ebenso wie die Industrie, der Verkehr oder die Landwirtschaft.

Doch während unser Strom mittlerweile zu über 50 Prozent aus Erneuerbaren Energien stammt, und im Verkehr die Elektromobilität kurz vor ihrem Durchbruch steht, führt die notwendige Transformation auch zu Verunsicherung: Bürgerinnen und Bürger fragen sich, ob sie ihre Strom- und Heizkosten auch in Zukunft noch werden tragen können, Unternehmen fürchten um ihre Anschlussfähigkeit im internationalen Wettbewerb. Als SPD-Bundestagsfraktion setzen wir daher auf eine Energie- und Klimapolitik, die sozial ausgewogen ist – und die die deutsche Industrie bei der Transformation unterstützt. 

Denn tatsächlich stehen bestimmte Teile der Industrie vor einer besonderen Herausforderung: Etwa ein Drittel der industriellen Treibhausgasemissionen stammt aus chemischen Umwandlungsprozessen der in den Grundstoffbranchen eingesetzten Rohmaterialien. Nach heutigem Stand der Technik sind diese sogenannten Prozessemissionen kaum zu vermeiden, sodass das Ziel der Klimaneutralität in anderen Bereichen eine Überkompensation impliziert. Dennoch bin ich zuversichtlich, dass wir mit klugen politischen Rahmenbedingungen auch diese Herausforderung werden meistern können.

Pötter: Wie sehen Sie die bisherigen Wege deutscher Unternehmen zu Klimaneutralität und zu mehr Nachhaltigkeit?

Gremmels: Leider gibt es in Politik und Wirtschaft nach wie vor zahlreiche reaktionäre Kräfte, die an der Welt von gestern möglichst lange festhalten wollen. Wenn der Wirtschaftsrat der CDU in der Corona-Krise ein Aufweichen der Klimavorgaben fordert, wenn der Verband der deutschen Automobilindustrie jetzt die europäischen Flottengrenzwerte aussetzen möchte, oder wenn die Deutsche Industrie- und Handelskammer die Einführung des CO2-Preises um Jahre verschieben will, dann ist das das genaue Gegenteil dessen, was wir jetzt brauchen.

Andererseits erlebe ich in der Ausübung meines politischen Mandats immer wieder, dass die deutsche Wirtschaft ihren Beitrag zu leisten bereit ist – und innovative Lösungen bereit hält, dem Klimawandel zu begegnen. Zuletzt haben auf Initiative der Stiftung 2 Grad mehr als 60 deutsche Unternehmen einen gemeinsamen Appell verfasst, um zu erreichen, dass der Neustart nach der Coronakrise konsequent dazu genutzt wird, die Weichen in Richtung Nachhaltigkeit und Klimaschutz zu stellen. Das ist ein starkes Signal, das zeigt: Auch in der Wirtschaft führt am Klimaschutz künftig kein Weg mehr vorbei.

Pötter: Welche Maßnahmen ergreifen Sie persönlich, um etwas für den Klimaschutz zu leisten?

Gremmels: Als Mitglied der Bürgerenergiegenossenschaft Kassel-Söhre eG bin ich am Ausbau der Erneuerbaren Energien in der Region Kassel aktiv beteiligt. Meinen Ökostromtarif beziehe ich bei den Städtischen Werken. Mein Neubauwohnung ist energetisch optimiert, um den Wärmebedarf zu minimieren. Mein nächstes Auto wird ein Elektroauto – als Abgeordneter aus der Region Kassel natürlich ein Volkswagen. Bis dahin muss ich aber noch meine Eigentümergemeinschaft überzeugen, in der Tiefgarage eine Wallbox zu installieren. Wir sind auf Bundesebene gerade dabei, das zu erleichtern.

Dennoch habe ich noch Luft nach oben: Im Wahlkreis nutze ich meist das Auto, immer öfter aber auch das Fahrrad. Im Rahmen meines Mandats - bis auf eine Corona bedingte Ausnahme - immer mit der Deutschen Bahn nach Berlin, doch die eine oder andere Flugreise lässt sich nicht vermeiden. Seit diesem Jahr kompensiert der Bundestag die CO2-Emissionen der nicht vermeidbaren Flüge der Abgeordneten. Privat tue ich dies auch. 

Vielen Dank für das Interview.